Mord im Tiefbauamt

 

„Schwarzer Freitag“ im Literaturhaus Villa Clementine: Vier regionale Autoren lesen aus ihren eigens für diesen Abend geschriebenen Kurzkrimis.

Rundschau

Die Wiesbadener Krimiautoren Richard Lifka und Christiane Geldmacher
Foto: rolf oeser

Der Freitag genießt keinen guten Ruf. Abergläubigen gilt er in der Kombination mit der Zahl 13 als Unglückstag, und als „Schwarzer Freitag“ ging er bereits mehrmals in die Geschichte ein. In der Vergangenheit krachte die Börse an einem Freitag tatsächlich öfter zusammen.

Dem übel beleumdeten Wochentag widmete der Wiesbadener Kriminalautor Alexander Pfeiffer während des „Wiesbadener Krimiherbstes“ nun einen eigenen Literaturabend. Dafür bat er vier Kollegen aus der Region, zum Thema „Schwarzer Freitag“ eigens einen Kurzkrimi zu schreiben. Den zahlreichen Zuhörern im Literaturhaus präsentierten die Autoren sehr verschiedene, gleichwohl allesamt unterhaltsame Ergebnisse.

Der Schriftsteller Richard Lifka aus Wiesbaden lässt an jenem Tag einen geschwätzigen Räuber die Frauensteiner Volksbank überfallen. Doch der vermeintlich perfekte Plan misslingt, seine Verflossene kommt ihm in die Quere und macht fette Beute.

Die Autorin Christiane Geldmacher lebt ebenfalls in Wiesbaden und macht ihrem Ärger über die Dauerbaustelle Fußgängerzone im Kurzkrimi Luft: Zwei Bauarbeitern platzt eines Tages beim Pflastern der Kragen und sie bringen zwei Mitarbeiter des Tiefbauamts um – ein „Schwarzer Freitag für das Tiefbauamt“.

Wie seine beiden Kollegen studierte auch der in Darmstadt beheimatete Autor Michael Kibler einst Germanistik. Als einziger der vier schrieb er jedoch eine Geschichte, die nicht in Wiesbaden, sondern in Norwegen spielt. Ein Profikiller mit dem Spitznamen „Freitag“ (er tötet nur freitags) bereitet sich darauf vor, den Chef einer Bank aus der Ferne zu erschießen. Ein Job, der ihm nicht nur viel Geld, sondern auch Prestige in der Branche einbringen soll. Der Erfolg soll ihn zur Nummer Eins unter den Auftragskillern machen. Aber die Konkurrenz schläft nicht.

Ehehöllen und Auftragskiller

Bei Susanne Kronenberg kommt der „Schwarze Freitag“ in Gestalt eines gleichnamigen Katers daher. Das Tier wird zum Auslöser eines finalen Befreiungsschlags, mit dem sich eine misshandelte Frau aus einer jahrelangen Ehehölle losmacht. „Ich lege meine Krimis psychologisch an, es sind immer Beziehungstaten“, erläuterte die Autorin, die von Haus aus Innenarchitektin ist und früher als Redakteurin arbeitete. Elf Jahre lang wohnte sie in Wiesbaden, für sie eine Stadt von „beklemmender Beschaulichkeit“.

Eine reale Stadt als Tatort zu wählen, mache es dem Autor wie auch dem Leser leichter, sagte Kronenberg in der anschließenden Diskussion über das Genre des Regionalkrimis. Sie erfinde aber stets auch Schauplätze hinzu. Ohnehin müsse die Handlung funktionieren, ohne dass der Leser den Ort kenne, stellte Lifka klar. Sein Kollege Kibler verwies darauf, dass bei guten Krimis die Bezeichnung „Regionalkrimi“ eine „reine Marketing-Entscheidung des Verlages“ sei, „wohl wissend, dass das Buch dann außerhalb eines Radiuses von 40 Kilometern weniger gekauft wird.“

Der Krimiherbst dauert noch bis zum kommenden Freitag.

Fantasien eines Wochentags

KRIMIHERBST "Schwarzer Freitag" im Literaturhaus
Vom 22.11.2010
Von Viola Bolduan Wiesbaden. Natürlich war`s am Freitag und am Abend auch zu dunkler Zeit. Das Motto der Krimiherbst-Veranstaltung "Schwarzer Freitag" mit lokal-regionalen Krimiautorinnen und -autoren im Literaturhaus war beherzigt im Outfit der Beteiligten und über das Äußerliche hinaus Thema und Titel der speziell für diese Lesung konzipierten Kurzkrimis. Wäre Alexander Pfeiffer nicht kompetent freundlicher Moderator des Abends - auch er hätte einen schreiben können. So also stellte er vor voll besetztem Saal die Kollegen/innen vor und gab den kulturhistorischen Hintergrund für die Bedeutung des Begriffs. Sicher, der "Schwarze Freitag" bedeutet Unheil, Zusammenbruch, Katastrophe - ob nun christlich-religiös oder weltwirtschaftlich. Vielfalt eines Themas Die vier vorgestellten Geschichten setzen dies voraus, wenn sie ihr Spiel treiben mit dem Wochentag und seinem Namen, den ja auch Robinson Crusoes Gefährte trägt. Und es fortsetzen in der Durchlässigkeit von Fiktion und Wiedererkennbarkeit des Wiesbadener Schauplatzes. So einheitlich die Themensetzung, so unterschiedlich Handlungen, Konstellationen, Atmosphären, Rhythmen und Stimmen dieser Kurzkrimis. Und diese Vielfalt tat einem Leseabend gut, der selbst ja auch vom notwendigen Bestandteil eines Krimis, der unterhaltsamen Spannung, zehren soll. Die Auflösung, die nach Aussage der Mitwirkenden ebenfalls zum Metier dazugehört, geriet dann etwas zäh - das Publikum nämlich hatte zum Schluss keine Fragen mehr. Es hatte zugehört. Parodie und Parabel Richard Lifkas flottem Ton des als Ansprache getarnten inneren Monologs eines Frauensteiners, der sich in der Exercice eines Banküberfalls gründlich verholpert und dem Autor damit eine Krimi-Parodie gelingen lässt. Christiane Geldmachers Text ist dagegen von eisiger Kritik an Wiesbadens tiefbauamtlichen Eingriffen in die Fußgängerzone: Die Pflasterarbeiten dauern so lange, weil hier Leichen versteckt sind! Eine Parabel. Nachdem Michael Kibler als Wiesbadener Krimistipendiat aus Darmstadt seine Leiche im Keller des Literaturhauses schon gefunden hatte, darf sein neuer Kurzkrimi ortlos sein. Aufs Präziseste im Minutentakt einer Auftragskillerarbeit durchstrukturiert, packt die Geschichte vom Ranking auch innerhalb dieser Profession ungemein in ihrem sanft vorgetragenen Zynismus. Da geht Susanne Kronenberger doch behutsamer mit uns und ihren Figuren um, indem voraussehbar ist, wie die Beziehungsgeschichte zwischen sanfter Frau, brutalem Mann und schwarzem Kater ausgehen wird. Zumal hinter Sonnenbergs Buchsbaumhecken. Schade wär`s, all diese Texte seien nur zum Vor- und nicht Nachlesen gewesen. An eine Publikation ist nicht gedacht?

Spannende Geschichten und Gänsehaut sind garantiert

Kultur (Rhein-Main)

Schwarzer Freitag: Kurzkrimis in der Villa Clementine am 19. Nov.

(15.11.10) Wiesbaden - In der Lesung „Schwarzer Freitag“ am Freitag, 19. November, um 20 Uhr in der Villa Clementine werden vier Kriminalautorinnen und -autoren jeweils einen exklusiv für diesen Abend geschriebenen Kurzkrimi mit dem Titel „Schwarzer Freitag“ zum Besten geben. Spannende Geschichten und Gänsehaut sind garantiert. Veranstalter des Abends ist das Literaturhaus Villa Clementine in Kooperation mit „Autorentreffen Dostojewskis Erben“.
Der Wiesbadener Richard Lifka ist seit 1990 selbstständig als freier Autor und Journalist tätig. Er ist Mitglied in der Autorengruppe deutschsprachiger Krimiautoren "Das Syndikat”, der „A.I.E.P.“ (der internationalen Kriminalschriftsteller-Vereinigung) und im DVPJ (Deutscher Verband der Pressejournalisten). Er schreibt unter seinem Namen Kriminalromane, Erzählungen und Kurzkrimis. Wenn er zusammen mit seinem Co-Autor Joachim Biehl schreibt, nennt er sich manchmal Elka Vrowenstein. Seit 2007 leitet er Schreibwerkstätten zum Thema „Krimischreiben“. Mit „Sonnenkönig“ legte er in diesem Jahr seinen ersten Kriminalroman im Alleingang vor (s. Besprechung in Frankfurt-Live.com in der Bücher-Rubik).
Susanne Kronenberg stürzt ihre Heldin Norma Tann in ihrem neuen Krimi „Kunstgriff“ erneut in die kriminellen Abgründe der hessischen Landeshauptstadt. Den Jugendbüchern und Pferdefachbüchern folgten schnell die Reiterkrimis und schließlich die Wiesbaden-Krimis. Denn auch das Nachspüren realer regionaler Geschehnisse gehört zu Kronenbergs Interessengebieten.
Michael Kibler suchte mit dem Roman „Schattenwasser“ in diesem Sommer seinen bevorzugten Tatort Darmstadt zum vierten Mal heim. Schwerpunkt des Schriftstellers sind Krimis. Deshalb ist er ebenfalls Mitglied in „Das Syndikat“. Aber er ist auch Sachbuchautor. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Autor bietet Michael Kibler in seinem Programm „Kibler erleben“ Lesungen, Stadtführungen durch Darmstadt oder auch Schreib-Workshops an.
Christiane Geldmacher veröffentlichte ihre kriminellen Kurzgeschichten bislang in Anthologien wie „WM blutrot“ und macht als „Blogofficer Anobella“ das Internet unsicher. Sie arbeitet als Autorin, Lektorin und Journalistin. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Deutschen Journalistenverbands und des VFLL Verband Freier Lektoren und Lektorinnen.
Der Wiesbadener Kriminalautor Alexander Pfeiffer wird durch den Abend führen und die vier Autoren ins Kreuzverhör nehmen. Der Eintritt kostet acht, ermäßigt sieben Euro. Reservierungen sind unter (0611)3415837 oder literaturhaus-wiesbaden@freenet.de möglich.
Literaturhaus, Villa Clementine, Wiesbaden, Frankfurter Straße1 / Ecke Wilhelmstraße; Tel: (0611)315020 (hbh)

Dostojewskis Fluch: Trio Mortale als „Höhepunkt“ im Wiesbadener Krimiherbst

04.11.2010 - WIESBADEN Von Viola Bolduan

Die literaturgeschichtliche Bedeutung der Stadt ist überschaubar. Gustav-Freytag-Denkmal im Kurpark, Dostojewski-Büste am Nizzaplätzchen. Immerhin. Wenn zwei Autorinnen und ein Autor nach Wiesbaden zu einem mehrwöchigen Stipendiumsaufenthalt eingeladen werden, dann liegt es auf der Hand, dass sie sich zu beiden Kollegen hingezogen fühlen. Als Krimi-Experten mehr zum Meister epischer Psychodramen aus Russland als zum ziemlich vergessenen deutschen Kulturliberalen. Gustav Freytag bleibt daher auch in Prosa aus Stein, während unser Spielcasino-Besucher aus Russland kuriose Lebendigkeit entfaltet. Wo anders als an der Griechischen (Russischen) Kapelle am Neroberg. Und am Mittwochabend im Literaturhaus.

Als „besonderen Höhepunkt“ im Krimiherbst kündigt Kulturdezernentin Rita Thies die Buchpremiere für den zweiten Band „Wiesbadener Kriminalgeschichten“ unter dem Titel „Trio Mortale“ an, erschienen im Brücken Verlag (Wiesbaden) an.

Anni Bürkl aus Wien, die Hamburgerin Regula Venske und Horst Eckert, Krimi-Experte aus dem Rheinland, hatten sich im Frühjahr während ihres Stipendiums in Wiesbaden zwischen Freytag-Denkmal und Dostojewski-Büste ihre Kurzgeschichten ausgedacht. Neben Kurpark und Kurhaus fehlt auch das Theater nicht als Tatort und das Pfingstreitturnier nicht als glamouröser Hintergrund krimineller Machenschaften für Eckerts „König der Stadt“, den örtlichen Russen-Mafiaboss. Dessen Frau Elena widmet sich Dostojewski lediglich lesend, während Regula Venske ihm eine aufwühlende Liaison mit Fanny Lewald andichtet, an dessen Ende Dostojewski Wiesbaden verflucht. Ein Treffen der beiden im 19. Jahrhundert wäre möglich gewesen – und damit auch „Fannys Fluch“. Das weiß man aber erst aus Briefen, die ihre Autorin Venske erfunden hat, Altertümlichkeitsregeln beachtend.

„Künstler-Wettstreit“

Ihr Kollege Horst Eckert widmet sich Aktuellerem in seinem Text: Ein Ministerpräsident nimmt seinen Hut, Politik und Polizei halten diverse Verbindungen zur ansässigen Russenmafia, wobei der Mord dann doch aus privaten Gründen geschieht. Hier geht es um Handfestes. Im „Künstler-Wettstreit“ von Anni Bürkl um Grenzverwischung: Liegt auf dem Springbrunnen des Bowling Greens tatsächlich ein Toter, oder muss Krimiautor Kerrheimer Fiktionen leibhaftig erleben, weil er sie nicht schreiben kann?

Obwohl am selben Schauplatz verortet, sind Themen, Form und Atmosphäre der drei Kurzkrimis höchst unterschiedlich, verraten eben die Handschrift der jeweiligen Autorin und des Autors. Eines aber stimmt für alle: Eine Stadt, die so viel kriminelle Schreib-Energien freisetzt, muss eine sichere sein. Für Stipendiaten allemal.


Spannend verknappt

23.10.2010 - WIESBADEN Von Viola Bolduan

PREISTRÄGER Jörg Ultsch gewinnt mit „Robinson“ den Kurzkrimi-Wettbewerb von Buch Habel

Seine erste veröffentlichte Geschichte steht in der Kurzkrimi-Sammlung „Mörderisches Wiesbaden 5“. Im Band, der in diesem Jahr im Auftrag von Buch Habel für die Drucklegung vorbereitet wird, kommt ein Kurzkrimi von ihm noch einmal vor - diesmal als der beste unter allen Einsendungen. Jörg Ultsch ist Sieger im Wettbewerb der Buchhandlung für den Kurzkrimi-Preis 2010 (Verleihung am 6. 11., während der Kriminacht 20.30 Uhr bei Buch Habel).


Für den Schreibtisch

Dabei hat sein Beruf eigentlich so gar nichts mit Literatur zu tun: Der 43-Jährige ist Jurist und arbeitet für eine Bank in Frankfurt, absolviert daneben ein Aufbaustudium in Heidelberg. Viel Fahrerei für einen, der in Bad Soden lebt. Deshalb, so sagt Jörg Ultsch, kam er in letzter Zeit auch gar nicht mehr zum Schreiben. Der prämierte Kurzkrimi „Robinson“ habe schon etwas länger gelegen, bis ihn der Wettbewerb in diesem Sommer zu einer Teilnahme animiert habe. Nein, ein „Auftragsschreiber“, sei er nicht; keiner, der einen Aufruf braucht, um sich literarisch mit einem Thema zu befassen. „Ich schreibe für meinen Schreibtisch“, in dem in anderer Schublade auch ein „unfertiger Roman“ schlummert.

„Robinson“ also - Titel der Geschichte über eine tödlich endende Begegnung von Banker und Penner auf einer Frankfurter Main-Brücke - ist „vor der Finanzkrise“ verfasst, wiewohl Atmosphäre und Metaphorik des Krimis punktgenau auch eine aktuelle gesellschaftliche Stimmung wiedergeben.

Wie schön, meint er, wenn „viele Interpretationen“ möglich seien. Dass in seinem Kurzkrimi ein Broker zu Tode kommt (oder auch nicht, da er als Ich-Erzähler ja wieder auftaucht), wolle keinen Berufsstand diskriminieren, dem er schließlich selbst angehört. Das Umfeld im Krimi hat er gewählt, weil er es - tätig im Stiftungsmanagement - aus Erfahrung kennt.

Und darüber hinaus kennt er sich gut in Literaturgeschichte aus. Erste Schreiberfahrungen hat Jörg Ultsch während seiner juristischen Ausbildung in Los Angeles Anfang 2000 gesammelt, als er dort amerikanische Drehbuchautoren kennenlernte. Das Szenisch-Filmische, die schnellen Schnitte faszinierten ihn. Den lakonischen, auf Knappheit reduzierten Stil trainierte er in Deutschland auf verschiedenen Schreibseminaren weiter. Übrigens auch unter Leitung von Autor Horst Eckert, der drei Tage vor der Preisverleihung bei Buch Habel, ebenfalls am Wiesbadener Krimiherbst teilnimmt (Buchvorstellung des Trio Mortale am 3. 11. im Literaturhaus).

Unter seinen Lieblingsautoren nennt er Franz Kafka, dessen Meisterschaft in der Darstellung des „Düsteren, Verlorenen, Ausweglosen“ Jörg Ultsch verehrt und Edgar Allan Poe - ein Vorbild für alle Autoren, die sich dem Schrecklichen und Rätselhaften verschreiben und ein Wegweiser auch für die Komposition von Texten.

Und wie geht Jörg Ultsch selbst vor, wenn er eine Geschichte konzipiert? An jedem Anfang steht das Thema, sagt er, danach der Entwurf des Aufbaus, schließlich die sprachliche Ausarbeitung - gefolgt von einem langen Prozess des Kürzens. Das Ergebnis soll so konzentriert wie möglich sein: verdichtet und lakonisch knapp.

Sein „Robinson“ ist es - eine nüchtern realistisch wie auch literarisch figurativ dargestellte Begegnung zweier Männer unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichen Zielen in ihrer unterschiedlichen Lebenssituation, die dennoch auch ein und dieselbe Person sein könnten . . . Und wer ist es dann, der erzählt?

Für die Literatur

Dass Fragen auch nach dem Krimi-Ende bleiben, freut den Autor. Über andere wichtige, jenseits der Literatur, diskutiert er selbst als Gründungsmitglied an der „Academie Kloster Eberbach - Werte in Wirtschaft und Gesellschaft“. Dazu bringt er die Erfahrungen aus dem Studium des „Nonprofit Management“ ein und das berufliche Engagement im Stiftungsmanagement. Und was für die literarische Arbeit? Die Antwort kommt prompt: „Ich lese immer.“

Jörg Ultsch ist Kurzkrimi-Preisträger in Wiesbaden, lebt in Bad Soden und arbeitet in Frankfurt. Foto: privat

Jörg Ultsch ist Kurzkrimi-Preisträger in Wiesbaden, lebt in Bad Soden und arbeitet in Frankfurt. Foto: privat


Richard Lifka "Sonnenkönig"

Der Wiesbadener Detektiv Linus (gemeint = Ninus, d. Red.) Hagen bekommt den Auftrag, die Botschaftertochter Carla Cosian zu überwachen. Wenig später ist Carlas Bruder tot, und eine Medienmanagerin spurlos verschwunden.

Hagen vermutet, dass beide Vorfälle mit dem durch eine anonyme Anzeige bedrohten, korrupten Medienunternehmer Andrej Rolozko zu tun haben, denn sowohl Carlas Freund als auch ihr Bruder und die verschwundene Managerin haben für Rolozko gearbeitet. Nachforschungen in der Vergangenheit der Beteiligten ergeben, dass der Spitzenmanager Rolozko sich vor einigen Jahren mittels eines betrügerischen Bankrotts um Millionen bereichert hat und dabei Carlas Geliebten, Johannes, in den Ruin getrieben hat. Johannes hatte daraufhin Selbstmord begangen. Detektiv Linus (gemeint = Ninus, d. Red.) Hagen befürchtet, dass die attraktive Carla jetzt einen blutigen Rachefeldzug startet. Und gleichzeitig beginnt Rolozko, der mehr und mehr unter Druck gerät, zu immer rabiateren Methoden zu greifen, um sein kriminelles Firmenimperium zu retten.

Vorbild in der Realität

Wie er schon mit dem Namen seines Bösewichtes „Andrej Rolozko“ deutlich macht, hat sich der Autor Richard Lifka für seinen Krimi einen tatsächlichen Fall von Wirtschaftskriminalität zum Vorbild genommen, der überregional für Aufsehen gesorgt hat. Es ist der Fall des Wiesbadener Spitzenmanagers Aleksander Ruzicka. Ruzicka, eine regionale Berühmtheit mit besten Kontakten zur Politik, war jahrelang Deutschland und Zentraleuropa–Chef einer großen Media-Agentur gewesen. 2009 ist er in 68 Fällen der Untreue gegenüber seinem Arbeitgeber Aegis Media zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, zusammen mit Komplizen netto 37 Millionen Euro an Werbegeldern über Tarnfirmen auf eigene Konten abgezweigt zu haben. Er habe, so lautete der Vorwurf des Gerichts, Gratis-Sendezeiten, die Fernsehsender dem Großkunden Aegis Media einräumten, auf eigene Rechnung vermarktet. Im Prozess hatte Ruzicki keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt und jede Schuld abgestritten. Er warf dem Gericht vor, die Gepflogenheiten der Branche zu verkennen. Inzwischen haben Ruzickis Anwälte eine Millionenklage gegen Aegis eingereicht und Revision gegen das Urteil eingelegt. Ruzicki befindet sich nunmehr seit mehreren Jahren in Haft.
Richard Lifka lehnt seine Romanfigur Andrej Rolozko in vielen Einzelheiten an das reale Vorbild Ruzicki an: Die glamourösen Parties, die Luxusvilla am noblen Wiesbadener Birnbaum, die guten Kontakte zur hessischen Politik (Volker Hoff, im Roman „Hoffmann“, ehemaliger hessischer Minister, war Geschäftsführer einer Partneragentur von Ruzicki), das von ihm unterhaltene Geflecht aus Tarnfirmen, der Spitzname „Sonnenkönig“, die elegante Kleidung und noch einiges mehr. In seinem Buch macht Lifka den Wirtschaftskriminellen zusätzlich zum Gewaltverbrecher und konstruiert eine spannend aufgebaute Geschichte um Freundschaftsverrat und familiäre Verwicklungen, in der nicht nur der Detektiv Hagen, sondern auch dessen Freundin und ein Wiesbadener Polizeikommissar in höchste Gefahr geraten …

Vorgestellt von Jan Schmelcher

Redaktion: nrc

Tod in der Tuchfabrik

 

Die Zuschauer wurden mit einem teils witzigen, teils spannenden Krimiabend belohnt. Die Autorin Brigitte Glaser führte die Gäste durch den Abend, an dem Wolfram Tewes aus Bielefeld die erste Lesung bestreiten durfte.

Euskirchen-Kuchenheim - Freie Plätze suchte man am Donnerstagabend in der Spinnerei der Tuchfabrik Müller vergeblich. Dabei hatten Museumsleiter Detlef Stender und Brunhilde Weber, die Leiterin der Euskirchener Stadtbibliothek, schon deutlich mehr Stühle aufgestellt, als Karten im Vorfeld verkauft worden waren. Als Stender den Abend eröffnete, hatten rund 120 Leute ihren Weg ins Kuchenheimer Industriemuseum gefunden.

Die Zuschauer wurden mit einem teils witzigen, teils spannenden Krimiabend belohnt. Die Autorin Brigitte Glaser führte die Gäste durch den Abend. Wolfram Tewes aus Bielefeld bestritt die erste Lesung, ihm folgte Richard Lifka, der dem Publikum seinen Roman „Sonnenkönig“ vorstellte. Nach der Pause eröffnete Horst Eckert die zweite Hälfte des Leseabends. Eckert lebt in Düsseldorf und wurde im letzten Jahr mit dem Friedrich-Glauser-Preis, dem „Oscar“ des deutschen Krimis, ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr ist er mit seinem Krimi „Sprengkraft“ für den Preis nominiert. Ob er gewonnen hat, erfährt Eckert erst am Samstagabend beim „Tango Criminale“ in Gemünd.

Im Auszug, den Eckert den Zuhörern präsentierte, befinden sich Martin Zander und Anna Winkler von der Düsseldorfer Polizei auf den Spuren eines marokkanischen Drogendealers. Doch der Einsatz verläuft nicht nach Plan und endet mit einem Bombenattentat. Eckert genoss es sichtlich, sein Publikum in Spannung zu versetzen - und auf dem Höhepunkt gnadenlos den Knalleffekt der Lesung zu setzen.

Das Glanzlicht des Abends setzte allerdings Brigitte Glaser. Sie hatte im Vorfeld in der Tuchfabrik recherchiert und für die Anthologie „Nordeifel Mordeifel“ die Geschichte „Kette und Schuss“ verfasst, die im Industriemuseum spielt. In dem Kurzkrimi besucht ein ehemaliger Mitarbeiter der Tuchfabrik mit seiner Enkelin das Museum und erinnert sich dabei an einen tödlichen Zwischenfall aus vergangenen Tagen. Für ihren spannenden Beitrag erntete Glaser vom Publikum tosenden Applaus. Museumsleiter Stender überreichte der Autorin als Dankeschön für ihre Kurzgeschichte eine Wolldecke, die in der Tuchfabrik hergestellt wurde.

Criminale Lesung Tuchfabrik

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Brigitte Glaser moderierte den Abend in der Spinnerei. (Bild: Nolden)

Von Tim Nolden, 10.09.10

Richard Lifka präsentiert seinen Krimi "Sonnenkönig" im Wiesbadener Pressehaus

03.09.2010 - WIESBADEN

Von Viola Bolduan

Vier Personen und ein Buch. Und damit mehr als eine einfache Lesung. Autor Richard Lifka hat darüber hinaus auf CD eingespielte Musik mitgebracht, Buchhändlerinnen (Buch Habel) verteilen viele Exemplare des neuen Krimis „Sonnenkönig“ auf ihrem Tisch. Am Schauplatz des Pressehauses füllen sich am Donnerstagabend die Stuhlreihen. „Wenn ich König von Deutschland wär...“, hat das Forum der „Kurier Kultur“ zuvor noch nie gehört. Musik spielt eine durchgängige Rolle in Lifkas Kriminalroman, und so auch am Abend der ersten öffentlichen Präsentation in Wiesbaden. Dass die Hauptfigur Detektiv auch am Schlagzeug sitzt, kommt später...

Zunächst kommt Richard Lifka, dann Klaus Krückemeyer. Vor zwei Jahren sind beide schon einmal im Pressehaus gemeinsam aufgetreten. Da hat sich der Wiesbadener Schauspieler beim Autor beschwert, dass dieser seine Detektivfigur Frederic Feuerbach abgeschafft hatte. Jetzt tritt er zivil als Moderator und Rezitator auf und macht seine Sache mit Publikumsansprache ganz vorzüglich. Es sollte aber noch besser werden...

"Sonnenkönig" hat reales Vorbid

An das Fest zum 70. Geburtstag des Dalai Lama in Wiesbaden erinnern wir uns gut. Der Prologtext zum „Sonnenkönig“ beruft sich darauf. Gleichzeitig führt der Autor zwei seiner Figuren ein: Rolozko und Carla. Der Geschäftsmann steht im Mittelpunkt und auf dem Titel. Unter dem Namen „Sonnenkönig“ war auch eine reale Person im Wiesbadener Mediengeschäft einmal bekannt. Die wirtschaftskriminelle Geschichte rund um den ehemaligen Aegis-Media-Manager Aleksander Ruzicka mitsamt dem in Wiesbaden verhandelten Prozess steht im Hintergrund des Kriminalromans, in dem Lifka seine Recherchen – „alles nur geklaut“, tönen die Prinzen – fiktiv verwandelt und verlängert. Das Publikum hört, wie Rolozko sich im Buch verhält...

„Ich finde gut, dass die Geschichte literarisch aufgearbeitet wurde,“ sagt zur Überraschung vieler im Saal der Anwalt des Aegis Media-Unternehmens. Als Privatperson sei er gekommen und kommentiert: „Prima, dass Sie das geschrieben haben.“ Hut ab vor dem Medienkonzern – schließlich war er jahrelang mit in den Schlagzeilen, auch nachdem er seinen Manager entlassen hatte.

Detektiv-Nachfolger ist "Jeans-und-Turnschuhtyp"

Im Buch hat Rolozko natürlich auch einen Gegenspieler. Klaus Krückemeyer, alias Frederic Feuerbach, ist natürlich neugierig auf seinen Nacholger: Privatdetektiv Ninus Hagen sei ein „Jeans-und-Turnschuh-Typ“, charakterisiert Richard Lifka. Und Jan Käfer (Wiesbadener Schauspiel-Ensemble) spricht ihn auf dem Podium kraftvoll nonchalant. Seine Partnerin Anke Budau übernimmt Carlas Part, passend verunsichert, denn sie wacht gerade in einer unbekannten Wohnung auf. Da hat es die erste Leiche schon gegeben. Und die nächste Schießerei wird kommen...

Eine geschickte Abendregie aber lässt am Ende keine verletzten Journalistinnen zu – die Schlussrunde findet in einer spanischen Kneipe statt. Da kann Krückemeyer noch mal aufdrehen. Der Applaus galt den lebhaften Szenen, einer unterhaltsamen Moderation und natürlich Buch und Autor.

Autor Richard Lifka vor dem Büchertisch im Pressehaus mit (von links) Maike Hennel und Elisabeth Pesch von Buch Habel. Foto: wita/Müller

Autor Richard Lifka vor dem Büchertisch im Pressehaus mit (von links) Maike Hennel und Elisabeth Pesch von Buch Habel. Foto: wita/MüllerVergrößern