Der eine fängt an, die andre ist ganz oben

17.10.2009

PERSÖNLICH Von kleinen und großen Schriftstellern, herzlichen Steuerberatern, liebenswerten Traditionen und genussverliebten Gastronomen

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"Herta Müller hat ihre Ausreisepapiere zusammen und wird nächste Woche in Frankfurt erwartet." So schrieb im Februar 1987 Ursula Krechel dem Wiesbadener Richard Lifka (Foto: Archiv/Kubenka), der Ende der 80er Jahre die Autorin und Rheingau-Literatur-Preisträgerin 2008 als damaliger Deutschlehrer in Rumänien kennengelernt hatte. Wie´s die Koinzidenz so will: Eben wird Herta Müller aus dem rumäniendeutschen Banat der Literatur-Nobelpreis zuerkannt, da entdeckt Lifka den Krechel-Brief in alten Unterlagen. Der heutige Autor und Verleger hatte von Ursula Krechel eine Beurteilung der eigenen schriftstellerischen Arbeitsproben erwartet - und es wird ihm die bevorstehende Ankunft Herta Müllers (gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Richard Wagner) im Westen angekündigt! Allzu große Beachtung hatte Lifka der Bemerkung damals nicht geschenkt, das Schreiben aber aufgehoben - als habe er geahnt, wie wichtig das Dokument mit dem Namen "Herta Müller" einmal werden sollte. (Müller-Foto: Archiv/dpa)


Macht Spaß - schon nach wenigen Seiten

REAKTIONEN Stimmen aus Buchhandel und Verlagen: "Tolle Sache", aber auch Skepsis / Die "Simplicissimus"-Neufassung lesen wollen alle

Gabriele Wörner hat in die Neuausgabe des "Simplicissimus" schon reingelesen, sich festgebissen und "würde gern bis zur letzten Seite" dranbleiben. Während der Geschäftszeiten kann es die Mitinhaberin der Buchhandlung Vaternahm aber schlecht. Fürs Geschäft aber kann sie die Bücher für ihre Kundschaft bestellen, hat bereits einen Vorrat

und ein ganzes Fenster mit den Ausgaben in zwei Bänden und dem Gesamtdruck dekoriert.

Reinhard Kaiser (der Übersetzer aus der barocken in eine aktualisierte deutsche Sprache) habe, so die Buchhändlerin, "einen Orden verdient", indem er das Original des Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen allgemeiner Leserschaft wieder zugänglich macht. Und damit auch dessen "Volkstümlichkeit und Belesenheit, Witz und Menschlichkeit".

Der alte Grimmelshausen war indessen nie ganz aus dem Bewusstsein verschwunden, erklärt Antiquar Thomas Wiederspahn. Immer wieder - freilich auch nur hin und wieder - wurde er bei ihm nachgefragt.

Der Titel "Simplicissimus", egal in welcher historischen Ausgabe, sei im kulturellen Gedächtnis präsent geblieben, so Wiederspahn. Und wenn jetzt eine Neuübertragung auf sich aufmerksam macht, schärfe das auch den Blick für ältere Exemplare, ist seine Erfahrung. Unter den verlegerisch Erfahrenen dieser Stadt wiederum hält Brigitte Forßbohm (Edition 6065) das "Simplicissimus"-Projekt für eine "tolle Sache", und Richard Lifka respektiert den "Mut" des Eichborn-Verlags. Denn, dass Reinhard Kaisers Neufassung ein "großer Verkaufsschlager" wird, glaubt der Leiter des Wiesbadener Brücken-Verlags nicht. Zu spezifisch das Interesse an diesem Werk aus dem 17. Jahrhundert, und auch in verständlichem Deutsch sei es "schwerer zu lesen" als ein Buch, das heute geschrieben, einen Blick auf die Barockzeit zurückwirft.

Dann aber schwärmt er von "diesem ersten Buch in neudeutscher Sprache", vom "Riesenschritt und Meilenstein" in der Literaturgeschichte. Und er selbst hatte das Original nach seinem Studium immer noch mal lesen wollen - die Möglichkeit, es jetzt leichter als früher tun zu können, bietet sich jetzt. Greift er danach? "Ich glaub´, ja".

Auch Brigitte Forßbohm hat das Original bisher noch nie "ganz geschafft". Das könnte sich jetzt ändern. Das Verlags-Projekt jedenfalls hält sie für "reizvoll und verdienstvoll" und weiß: "Das war keine einfache Sache, sondern langwierig und teuer". Es schließe die "wichtige Lücke", den "Simplicissimus"-Blick in die "spannende und schreckliche Zeit" des Dreißigjährigen Kriegs verständlich lesbar wieder nachvollziehen zu können. Eine Neuübertragung sei legitim: Grimmelshausen dürfe ja nicht in ein Museum geschoben werden, sondern solle Anschluss finden an unsere Zeit.

Die Stimmen aus Wiesbadener Buchhandel und Verlagen jedenfalls wünschen dem neuen "Simplicissimus" viel Erfolg, also "viele Leser/innen". Warum es lesen? "Weil es Spaß macht," sagt Gabriele Wörner schon nach den ersten Seiten.

Wiesbadener Kurier Von Viola Bolduan

Statt “Agathe” - drei Autoren

Seit 2006 gibt es keinen Frauenkrimipreis / Von 2009 an Stipendiaten

Es war im Jahr 2007, dass Mitra Devi und Tatjana Kruse (damals noch mit Oliver Bottini) im Frauenmuseum nach öffentlicher Krimi-Lesung zusammensaßen. Kulturdezernentin Rita Thies saß mit dabei. Sie spürte, die beiden fühlen sich wohl in Wiesbaden: Ob sie noch mal wiederkommen wollten? Die beiden wollten. Und gehören jetzt zu den2009 Krimistipendium 28.05. in der WG 01 drei Stipendiaten, die zum ersten Mal in Wiesbaden den schönen Monat Mai an die Beschäftigung mit Krimis hinge2009 Krimistipendium 20.05. Le Bonheur 009ben wollen. Sie ziehen ein in die Atelierwohnungen im Literaturhaus Villa Clementine. Mit dem bisschen Plastik, das um das Haus noch gespannt ist, weil es saniert wird, sollten    echte Krimi-Autorinnen ja noch fertigwerden. 

2009 Krimistipendium 20.05. Le Bonheur 006 klein

Es wird Mai, bis es soweit ist. Und die beiden Frauen kommen nicht allein. Der Dritte im Bunde wird Michael Kibler sein. Ebenfalls Krimi-Autor - noch von “Darmstadt-Krimis”, weil er da herkommt. Das soll sich ändern. Durch einen Aufenthalt in Wiesbaden. Denn:

Der vierwöchige Aufenthalt der Stipendiaten bietet ihnen nicht nur Austausch untereinander, Workshops, öffentliche Lesungen, Besuch von Bundes- und Landeskriminalamt, sondern soll sie auch zu einem “Wiesbaden”-Krimi animieren. In Buchform, so Rita Thies, sollte eine solche Sammlung des lokalen Tatorts erweiterbar sein.

Ein erster Tatort für die Krimi-Stipendiaten steht fest: Am 12. Mai stellen sich Mitra Devi, Tatjana Kruse und Michael Kibler in der Reihe “Kurier-Kultur” im Pressehaus vor. Sie sind auch in Schulen und nach Frankfurt eingeladen und treffen, nach Wunsch von Programmorganisator Richard Lifka, zum Schluss vielleicht noch Dostojewski . . .

Von Viola Bolduan