Gruselfans unterm Goethestein

Kulturtage: Krimineller Spaziergang durch Frauenstein
Zum ersten Mal lädt Frauenstein zu seinen Kulturtagen ein.

Diesmal zog der Frauensteiner Journalist und Autor Richard Lifka zahlreiche Gruselfans zum Goethestein, dem Startpunkt seines "kriminellen Spaziergangs" durch den Stadtteil. Ehrengast war der Dichterfürst selbst.
Nicht unter einem beliebigen Motto stehen die unterschiedlichen Veranstaltungen der Initiative Frauenstein und des Ortsbeirates. Meist wird zu Ehren von Johann Wolfgang von Goethe eingeladen, denn der Bau des Goethesteins hoch über dem Stadtteil, der zum einhundertsten Todestag des berühmten Gastes Frauensteins errichtet wurde, jährt sich in diesen Tagen zum 75. Male. Grund genug, sich nicht allein an den Besuch des Geheimrates im Juli des Jahres 1815 auf dem "Spitzen Stein" hoch über der Ortschaft zu erinnern, sondern auch den Bau des schmalen, leicht pyramidenförmigen Monuments an Goethes Ausflugsziel wieder aufleben zu lassen. Krimiautor Richard Lifka sollte dies sogleich in äußerst spannender Art versuchen.Zuvor ließ der Schriftsteller Goethe selbst ans Mikrofon. Mit "hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein", begrüßte dieser alias Andreas Döbelin in Perücke, samtenem Gehrock und Kniebundhosen seine rund zwei Dutzend Zuhörer und erinnerte an die Rast des Dichters hoch über den Dächern Frauensteins mit herrlichem Blick über das Rheintal bis hinüber in die Pfalz, an dem sich nach beinahe zwei Jahrhunderten nichts geändert hat.
"Ich bin nicht ganz so groß wie Goethe" erklärte Kollege Lifka alsbald bescheiden und schraubte das Mikrofon an seinem Ständer um einige Zentimeter nach unten. Sein erstes Thema habe er allerdings nicht allein am Frauensteiner Goethestein spielen lassen, sondern dem ersten Erfolg des Dichterfürsten entlehnt. Ebenso wie in dessen "Leiden des jungen Werthers" habe hier ein junger Frauensteiner seine Liebste an einen Konkurrenten verloren und berichte einem Freund von der anderen Rheinseite nun in ebenso herzzerreißenden wie grausamen Zeilen von seinem Leid.
Fünf Jahre ist Lifkas Szenario her. Frauenstein feierte gerade das siebzigjährige Bestehen des Monumentes auf dem "Spitzen Stein", als ein Mainzer Literaturwissenschaftler, der die Festrede zur offiziellen Feierstunde halten soll, auf drei merkwürdige Briefe stößt. Anfang 1931 spielt der erste des Trios. Neben allerlei deutscher und auch Frauensteiner Zeitgeschichte finden sich die Liebesqualen eines jungen Dorfbewohners, der seine Anna an den Baumeister des Goethedenkmals verloren hat. Selbstmordphantasien fabuliert der liebestolle Frauensteiner in seinem zweiten Brief, den er zehn Monate später verfasst. Nun ist die Angebetete verlobt und der Verschmähte empfindet nur Abscheu, wenn er an ihren Zukünftigen denkt.
Ein Gefühl, welches der mit dem Bau des Monumentes hoch über Frauenstein beauftragte junge Mann in seinem dritten Schreiben noch näher beschreibt. Zudem plagt ihn nun sein schlechtes Gewissen, denn Annas Zukünftiger ist verschwunden, vermeintlich in Amerika, doch vielmehr wohl tief unter dem Goethestein, in dessen Fundament aus Beton zu finden.
Wem beim Anblick des vier Meter hohen Denkmals nun bereits das Blut in den Adern gefror, sollte an der nächsten Station der kleinen Reise durch das Dorf noch sein kriminelles Wunder erleben, denn nun beschwor Lifka im Rahmen seines "Armen Ritters" unter der Burg ein derart blutiges Szenario herauf, dass es seinen Zuhören ganz rot vor Augen werden sollte. Schnell gings nun noch zur "Blutlinde" an der Kirche, denn dort wartete der zweite Teil der gruseligen Geschichte rund um den jungen Frauensteiner Müllarbeiter Siegfried, der aus verschmähter Liebe und gekränkt vom Freund der Angebeteten erst die beiden grausam dahin metzelt und dann sich selbst vom Burgfelsen stürzt.

Große Resonanz auf Werkstatt "MordVersuch"

FLÖRSHEIM Mit einer so großen Resonanz auf das Angebot der Schreibwerkstatt "MordVersuch - Oder wie schreibe ich einen Krimi" hatte die Leiterin der Stadtbücherei, Brigitte Raddatz, nicht gerechnet. Sie musste viele Interessenten auf eine Warteliste setzen. Jetzt treffen sich acht Teilnehmer und drei "Gasthörer" an drei Samstagen mit dem freien Journalisten und Krimi-Autor Richard Lifka mit dem Ziel, eine eigene Kriminalgeschichte zu entwickeln.

"In der Realität töten Frauen mit Gift, Männer mit Waffen. Doch in meinen Ausbildungskursen im `Syndikat Rhein-Main` für angehende Autoren kann ich keinen Qualitätsunterschied zwischen Frauen und Männern feststellen", so Lifka, der unter dem Pseudonym "Elka Vrowenstein" publiziert. Entwickelten Frauen eine Geschichte eher von einer Person, so wählten Männer lieber ein Ereignis für ihren Krimi.

"Schreiben kann man lernen, Kreativität aber ist nicht zu vermitteln", begrüßte Richard Lifka seine Schüler, die bis aus Weilburg und Frankfurt gekommen waren. 90 Prozent beim Schreiben sei "Handwerkszeug", fünf Prozent Kreativität und weitere fünf Prozent "Disziplin und Schweiß".

Am Samstag ging es in der ersten Runde um Theorie, Plotentwicklung, und Ideenfindung. Am nächsten Wochenende lernen die Schreibwerkstatt-Teilnehmer viel über Erzählerhaltung, Erzählweise und Stil. Am letzten Vormittag werden die Geschichten, die als "Hausaufgaben" verfasst wurden, ausgefeilt. Am Ende dieses Krimi-Schreibseminars steht die Präsentation am 26. März um 20 Uhr in der Bücherei. Dann werden die besten Kurzkrimis vorgestellt. Dazu werden Richard Lifka und seine Kollegin Susanne Kronenberg aus ihren eigenen Werken vorlesen.

Lesemarathon

Zu einem Marathon hatte die evangelische Kirche in Bierstadt geladen – zu einem Marathon der ganz besonderen Art. Nicht 42,195 Kilometer galt es zu bewältigen, sondern fast zwölf Stunden voller Literatur, vorgetragen von 33 prominenten Zeitgenossen beim Lesemarathon im ältesten Gotteshaus Wiesbadens.
Aus Fernsehen, Sport, Politik, Kirche und Kunst bekannt waren die Gäste, die alle spontan und gerne ihre Zusage gegeben hatten.„Wir waren wirklich überrascht, welch positive Resonanz wir auf unsere Anfragen erhalten haben und wie schnell sich unsere Liste der Vorleser gefüllt hat“, freute sich Kirchenvorsteher Werner Born. „Dafür allen Beteiligten unseren herzlichen Dank“. So kamen die Besucher in den Genuss, höchst unterschiedliche Persönlichkeiten beim Vorlesen ebenso unterschiedlicher Literatur zu erleben: Lese- und Redeprofis ebenso wie jene, die noch niemals in der Öffentlichkeit gelesen hatten. Heiteres und Besinnliches, Komik und Melancholie, Politik und Klassik, alles hatte dabei seinen Platz.
Unterschiedliche Besuchstaktiken zeigten sich bei den Zuhörern. Die einen suchten sich gezielt die Vorleser oder Titel heraus, die sie am meisten interessierten und suchten während ihrer Pause beim gleichzeitig stattfindenden Gemeindebasar Abwechslung oder stärkten sich an Kuchen, Kartoffelpuffern und Würstchen. Andere blieben en suite auf ihrem Platz und hörten einfach allen zu. So wie Margot Seulberger die fünf Stunden hintereinander den Lesemarathon genoss und anschließend total begeistert war: „So viele unterschiedliche Geschichten und interessante Vorleser, das war ein einmaliges Erlebnis“. Hatte sie doch während dieser Zeit Detlev Bendel, Hildegard Bachmann, Martin Seidler, Pfarrer Helmut Marx, Viola Gärtner, Dr. Hans-Joachim Jentsch, Steffen Seibert, Marco Pighetti, Till Krabbe und Ulrike Neradt live erleben können.
Zwei Zeitabschnitte waren extra für Kinder reserviert worden, um den kleinen Leseratten eine Freude zu bereiten. Angelika Thiels, Jan Immel und Benjamin Krämer-Jenster lasen mit viel Begeisterung, vor denen auf den extra ausgelegten Teppichen sitzenden und aufmerksam zuhö-renden Kindern und vielen interes-sierten Erwachsenen. Jüngste Vorleserin war Kira Voll, die im Frühjahr als Siegerin aus dem Vorlesewettbewerb der Bierstadter Grundschule hervorgegangen war. Sie las ebenfalls in der Kinderzeit aus dem Buch „Sams in Gefahr“ von Paul Maar. Die unbestritten meisten Zuhörer lockte Dr. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ und Bestellerautor mit seinem Buch „Das Methusalem-Komplott“, in die evangelische Kirche. Mit teils erstaunlichen Zahlen („Jedes zweite heute geborene Mädchen hat eine Lebenserwartung von 102 Jahren“ und „Ein heute 70-Jähriger ist hinsichtlich seiner Zellalterung auf dem Stand eines 55-Jährigen, der Mitte des 20 Jahrhunderts gelebt hat“), die für manches Raunen im Publikum sorgten, begleitet er seinen ebenso anspruchsvollen, wie wissenschaftlich fundierten und interessanten Vortrag. Der in Bierstadt aufgewachsene und in eben dieser Kirche auch konfirmierte Schirrmacher unterstütze die Aktion „Erhalten helfen“ im übrigen nicht nur durch seine Teilnahme am Lesemarathon, sondern auch durch seine großzügige Spende.
Standing ovations erhielt Schauspieler und Radiomoderator Klaus Krückemeyer für seine witzigen Texte von Horst Evers, die er nicht nur einfach vorlas, sondern ebenso komisch wie gekonnt förmlich vorlebte.Doch auch alle anderen, die sich in den Dienst der guten Sache gestellt hatten, durften sich über viel Applaus und begeisterte Zuhörer freuen, die das vom Förderkreis „Erhalten helfen“ am Eingang aufgestellte gläserne Spendenglas immer höher füllten, so dass am Schluss die sensationelle Summe von fast 1700 Euro für die Renovierung der Kirche zusammenkam!
Selbst als die Ziellinie des Marathons ins Sicht kam und die Turmuhr mit immer mehr Schlägen das Fortschreiten der Zeit unüberhörbar ankündigte, harrten die Lesefans in erfreulich großer Zahl aus, um Klaus Angermann, Dieter Zimmer, Rita Thies, Claudia Brillmann, sowie den Dekanen Roth und Heinemann zuzuhören. Den Endspurt hatten Wolli Herber und die Krimiautoren Dieter Schmidt und Richard Lifka übernommen, bevor Gemeindepfarrer Andreas Friede-Majewski mit Nachtgebeten aus fünf Jahrhunderten um 23 Uhr einen besinnlichen Schlusspunkt unter eine eindrucksvolle Veranstaltung setzte.