Dichterlesung mit Richard Lifka

Kronberg (kb) – Die amnesty international-Gruppe Kronberg veranstaltet Freitag, 25. November, um 20 Uhr in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei in deren Räumen, Hainstraße 5, eine Dichterlesung. Autor des Abend ist Richard Lifka aus Wiesbaden. Als Mitglied einer Autorengruppe unter dem Pseudonym Elka Vrowenstein schreibt er Krimis, die großenteils im Rhein-Main-Gebiet spielen. An diesem Abend wird Lifka über die Arbeitsweise eines Autors berichten und Kurzkrimis aus seinem Buch „Die blaue Kapelle“ lesen. Die Kronberger amnesty-Gruppe wird über Einzelfälle verfolgter Schriftsteller berichten und Petitionen auslegen, die die Teilnehmer des Abends durch ihre Unterschrift unterstützen können. Der Eintritt ist frei um eine Spende für amnesty-international wird gebeten."

Die Befragung

Alligatorpapiere.
Richard Lifka
Frage: Warum Krimis?
R. Lifka: Ich tummle mich auf verschiedenen literarischen Gebieten. Je nach dem Stoff und wie er erzählt werden will, wähle ich meinen Erzählstil und die Handlungsstruktur. Krimi wird es immer dann, wenn es darum geht, gegenwärtige Probleme, hinter denen komplizierte gesellschaftliche Prozesse stecken, spannend darzustellen. Hier ist der Krimi mit seiner Realitätsnähe und der Darstellung von Menschen in Extremsituationen für mich das geeignete Medium.
Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?
R. Lifka: Deutsch ist meine Muttersprache, deshalb lese ich hauptsächlich deutschsprachige Literatur. Dementsprechend sind es die deutschsprachigen Krimis, an denen ich mich orientiere, denen mein Interesse gilt und die ich versuche zu lesen, zu verstehen und zu bewerten (und da gibt es ganz schön viele). Natürlich muss man als Autor auch die Entwicklungen und Themen der "Krimi-Weltliteratur" aufnehmen, aber das kann schon allein aus zeitlichen Gründen nur sehr lückenhaft und sporadisch geschehen.
Frage: Wer ist überschätzt?
R. Lifka: Ganz schwer. Von wem? Von Kritikern, von Lesern oder von Autoren? Ich kann es nicht auf ein paar Namen bringen. Das muss man an einzelnen Büchern festmachen. Mankell hat mittelmäßige aber auch gute Romane geschrieben, genauso Leon oder wie sie alle heißen. Überschätzt werden auf alle Fälle die Bücher, die schon hunderttausende Mal verkauft werden, bevor sie überhaupt erschienen sind.
Frage: Wer ist unterschätzt?
R. Lifka: Viele gute deutschsprachige Krimiautoren- und Autorinnen.
Frage: Krimi – eine Literaturgattung?
R. Lifka: Mit Schubladen habe ich so meine Probleme. Das war auch der Grund, warum ich der Literaturwissenschaft den Rücken gekehrt habe. Alles musste irgendwie in ein Schema passen. Ich sage es mal so: Krimi ist Literatur die bestimmte Elemente beinhaltet (Verbrechen, Geheimnis, Ermittlung, Täter, Opfer usw.) die eine andere Gewichtung erhalten, als z.B. in einem Entwicklungsroman, in dem es ebenfalls Verbrechen etc. geben kann aber eine andere Erzähl- und/oder Handlungsstruktur haben … oh je, jetzt wird es zu theoretisch. Die Grenzen sind fließend … Ein guter Krimi ist gute Literatur, ein schlechter halt schlechte. Auch wenn auf dem Cover "Kriminalroman" steht, ist da noch lange kein Krimi drin, und es ist sicher auch kein Qualitätsmerkmal, weder positiv noch negativ, eher eine Werbestrategie, ein Etikett, um ein bestimmtes Leserpotential anzusprechen.
Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?
R. Lifka: Soll ich es wirklich sagen? Es war ein Experiment. Eine Gruppe von vier Schreiberlingen fand sich zusammen, hat beschlossen gemeinsam ein Buch zu schreiben. Da drei von den Vieren Krimifans waren, entschieden wir uns für einen Kriminalroman. Nach eineinhalb Jahren lag ein fertiges Manuskript vor (was niemand von den Vieren erwartet hatte). Wir gaben uns den Namen Elka Vrowenstein, schickten das Manuskript in die Verlagslandschaft und siehe da, zwei Verlage hatten angebissen, Eichborn bekam den Zuschlag. Da ja Erfolg beflügelt, gab's gleich einen zweiten, einen dritten ... Von den tapferen Vieren sind zwei übrig geblieben, die ihr fünftes Buch im November vorstellen.
Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?
R. Lifka: In den Elka Vrowenstein Romanen haben wir mehrmals zum Gift gegriffen (mein Schreibkollege Joachim ist überzeugter Apotheker). Ich verwende in meinen Geschichten meist irgendwelche Schießgeräte, was ich mir nur damit erklären kann, dass ich Kriegsdienstverweigerer bin und geschworen habe (das musste man 1974 noch) niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen.
Frage: Mord – muss das sein?
R. Lifka: Ja. Dazu gibt es ja schon viele Äußerungen (Extremsituation usw.). Denen schließe ich mich voll an.
Frage: Warum schreiben Sie?
R. Lifka: Weiß nicht. Seit meinem siebten Lebensjahr schreibe ich Geschichten. Ich denke immer, ich muss erzählen was mir gefällt, nicht gefällt, was ich erlebt, gesehen, gehört, gerochen, gefühlt habe. Da das Erzählte aber so schnell wieder vergessen wird, schreibe ich es eben auf.
Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?
R. Lifka: Ja. Ich versuche es jedenfalls. Unsere Welt ist so komplex und unverständlich (was eigentlich paradox ist, da wir ja in einem Zeitalter leben, in dem man jede Information bekommen kann; ich habe allerdings den Eindruck, je mehr Informationen, umso weniger Verständnis), in der die Bösen und Guten nicht mehr auseinander zu halten sind. Ich denke, im Krimi kann man dieses Undurchschaubare anhand eines konkreten Falls (ob real oder fiktiv) ein bisschen erklären. Wichtig ist für mich, dass in meinen Geschichten, am Schluss der Böse immer entlarvt und seiner Strafe zugeführt wird (na ja, fast immer), so bleibt dem Leser und auch mir ein wenig Hoffnung.
Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?
R. Lifka: Immer dort, wo es zu meiner Geschichte, zu meinen Figuren passt. Manchmal allerdings wählt das Setting mich und ich muss mir eine Geschichte dazu ausdenken.
Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?
R. Lifka: Gehört zu den Grundbedürfnissen.
Frage: Sex im Krimi?
R. Lifka: Klar. Warum diese Frage?
Frage: Wenn ja, warum?
R. Lifka: s.o.
Frage: Wenn nein, warum?
– – –
Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?
R. Lifka: Siehe die Frage mit den Gattungen. Jetzt hätten wir noch eine Untergattung.Als Wiesbadener bin ich bei dieser Frage besonders in der Zwickmühle, da die Stadt Wiesbaden jedes Jahr den Frauenkrimipreis verleiht. Ich könnte von stundenlangen Diskussionen mit den "Erfinderinnen", den Veranstalterinnen dieses Preises erzählen ...
Frage: Für wen schreiben Sie?
R. Lifka: Wie schon gesagt, Ich will Geschichten erzählen, für andere, die es hören (lesen) wollen und für mich, damit ich sie nicht vergesse.
Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?
R. Lifka: Nicht nachvollziehbar. Meistens ein Mischmasch aus Gehörtem, Gelesenem, Gesehenem, was sich plötzlich zu einem "Plot" entwickelt. Wann da der erste Gedanke war? Kann Jahre zurückliegen, sich in irgendeiner "grauen Zelle" einnisten und sich irgendwann wieder melden. Wer weiß? Hauptsache er meldet sich wieder.
Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?
R. Lifka: Ich sammle alles was mir interessant erscheint (Fotos, Zeitungsausschnitte, Zitate etc.), mache mir Gesprächsnotizen, wenn es sich ergibt, um alles nach einer gewissen Zeit wegzuwerfen, da ich völlig den Überblick verloren habe. Allerdings, und deshalb beginne ich mit dem Sammeln immer wieder neu, ist das was ich ausgeschnitten oder notiert habe schon in meinem Kopf. Und wenn sich dann eine Idee, wie in der vorhergehenden Antwort beschrieben meldet, sind diese "gesammelten Werke" plötzlich wieder da.
Frage: Wo schreiben Sie?
R. Lifka: Entweder in einem Café, Bistro (dann brauche ich gerade Mal etwas Trubel um mich herum, um mich konzentrieren zu können), oder im Garten hinterm Haus (da brauche ich dann Natur pur) oder an meinem Schreibtisch (meistens beim Ausformulieren, Überarbeiten, usw.).
Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?
R. Lifka: Kann man auch anders Schreiben?
Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?
R. Lifka: Zeitweise auf alle Fälle "Winnetou 3" (war so schön traurig, wenn Winnetou in den Armen seines Blutsbruders stirbt), aber auch "Der kleine Mann" von Erich Kästner.
Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?
R. Lifka: Was ich immer wieder lese (müsste dann so etwas wie ein Lieblingsbuch sein): Jahrestage von Uwe Johnson.
Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?
R. Lifka: Kann ich beim besten Willen nicht sagen. Es gibt viele Krimis, die mir sehr gut gefallen, aber die sind nicht alle von einem oder einer AutorIn.
Frage: Ihr Lieblingsfilm?
R. Lifka: "Willkommen, Mr. Chance" mit Peter Sellers.
Frage: Ihr Lieblingsgetränk?
R. Lifka: Kaffee mit viel Milch.
Frage: Kochen Sie?
R. Lifka: Nein. Ich esse lieber gut ohne zu wissen, wie das was ich esse zubereitet wird.
Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?
R. Lifka: Ja. Kennen Sie Wiesbaden-Frauenstein? Da gibt es ein Restaurant mit französisch/spanischer Küche. Dort. Ansonsten jede Art von Küche außer der "gut bürgerlichen" mit Schnitzeln die über den Tellerrand schwabbeln.
Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?
R. Lifka: Eigentlich Jeans und Turnschuhe. Da ich aber eine Allergie gegen Jeansstoff bekommen habe (was es nicht alles gibt!), bleiben nur noch die Turnschuhe ...
Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?
R. Lifka: War es einmal. Ich habe vom 6. bis 18. Lebensjahr in einer Mannschaft gespielt. Dann ist ein Meniskus gerissen. Seit dem spiele ich lieber Schach und schaue mir die Sportschau an (allerdings auch nicht mehr so gerne, da die blöden Interviews mit den Millionen-Kickern immer mehr Sendezeit einnehmen).
Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?
R. Lifka: Sorry, die Frage verstehe ich nicht?
Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?
R. Lifka: Wiesbaden (da habe ich meine Wurzeln, auch wenn ich nicht immer dort war oder bin).
Frage: Ihr Lieblingsland?
R. Lifka: Im Moment noch Deutschland, obwohl es mich immer mehr in wärmer Regionen zieht (z. B. Südspanien, Südfrankreich), wichtig: Süd und Sonne.
Frage: Was lieben Sie?
R. Lifka: Mit meiner Frau, meiner Tochter, unserem Hund und unseren langjährigen Freunden zusammen zu sein, Zeit zum Schreiben und Lesen zu haben, ins Theater zu gehen und hin und wieder eine fremde Stadt zu erobern, sprich besichtigen und erleben.
Frage: Was verabscheuen Sie?
R. Lifka: Gewalt. Jede Art von physischer und psychischer Gewalt und ganz besonders die an Kindern (auch schon die Ohrfeige)! Trotzdem oder gerade deshalb schreibe ich Krimis?!
Frage: Beste Schulnote – worin?
R. Lifka: Wann? Im Abi keine, vorher Sport und Deutsch.
Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?
R. Lifka: Mathe. Bis zur neunten Klasse konnte ich den Stoff noch irgendwie nachvollziehen, als wir uns dann aber berechnender weise der Null nähern mussten, mit dem Wissen dieses Ziel nie zu erreichen, habe ich aufgegeben, diesen Hokuspokus verstehen zu wollen.
Frage: Ihr Traumberuf?
R. Lifka: Krimiautor
Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?
R. Lifka: Nee - doch: weil ich gerne Geschichten erzähle.
Richard Lifka: Geboren am 22.01.1955 in Wiesbaden. Richard Lifka absolvierte ein Studium der Germanistik und Soziologie in Mainz und Frankfurt/M. In der Zeit von 1983 bis 1989 lebte Richard Lifka in Rumänien. Dort war er Lektor für Literaturwissenschaft und Deutsche Kulturgeschichte an der A.I. Cuza Universität in Iasi. 1990 kehrte er nach Deutschland zurück. Seitdem arbeitet Lifka als Journalist ("Alles Krimi oder was?" - Serie über Detektive der Kriminalliteratur) für "Wiesbadener Kurier, Wiesbadener Tagblatt, Mainzer Allgemeine Zeitung" und als freier Autor ("Letzte Tage. Erzählungen", Brücken Verlag). Kriminalromane und Kurzkrimis schreibt er zusammen mit Joachim Biehl unter dem Pseudonym Elka Vrowenstein. Richard Lifka ist verheiratet (1 Tochter) und lebt und arbeitet in Wiesbaden. Homepage: http://www.lifka.de/
Die Kriminalromane(als Elka Vrowenstein):1999, Wiesbadener Roulette. Eichborn Verlag2000, Wiesbadener Tournier. Brücken Verlag2001, Wiesbadener Theater. Brücken Verlag2005, Formel Blau. Brücken VerlagDie Krimikurzgeschichten.(als Elka Vrowenstein):2002, Die blaue Karpelle. 13. Kurzkrimis. Brücken Verlag(als Richard Lifka)2003, Der Friseur von St. Pauli. In: Tatort Hamburg. Vertigo Verlag2004, Kinderspiel. In: Tatort Hessen. Societäts Verlag

Die zweite Hönower Kriminacht

Schon die erste Hönower Kriminacht war ein
großer Erfolg. Am 26. Januar diesen Jahres fand
nun die zweite statt, voller Spannung und mit
großen Erwartungen folgten viele Interessierte
der Einladung.
Die Hönower Bibliothek war knackend voll,
als Jan Eik anhob, über das spannungsgeladene
Verhältnis eines Ehemannes zu seiner Schwiegermutter
zu erzählen. Alltägliche Ungereimtheiten,
wie sie wohl jeder kennt, brachten das
Publikum zum Schmunzeln, und selbst die Art,
wie die Schwiegermutter letztendlich zu Tode
kam, kitzelte an den Lachmuskeln.
Wolfgang Schüler aus Hönow, der den
zweiten Beitrag „Edgar Wallace trifft den
Hexer“ (eine Geschichte, die Spannung mit
einer Ballistik-Lektion verknüpfte) vortrug,
hatte drei Mitstreiter aus dem Syndikat-Arbeitsgruppe
deutschsprachiger Kriminalautoren
aus Österreich, Schweiz und Deutschland für
diesen Abend genossen: Neben Jan Eik aus
Berlin, Gabriele Wolff aus Neuruppin und
Richard Lifka aus Wiesbaden. Und so vielgestaltig
wie das Leben selbst waren die vier
Darbietungen.
Bei den Kriminalgeschichten, die nach der
Schmalzbrot-Rotwein-Pause zum Besten gegeben
wurden, war schon die Entstehungsgeschichte
interessant. Martina Bick hatte die Idee, die
Gedichte des Dessauer Lyrikers W. Müller, welche
Franz Schubert für seinen Liederzyklus „Die
Winterreise“ vertonte, als Grundlage für einen
Kriminalgeschichtenband (Titel: Die Winterreise)
zu nutzen. Zu zwei von diesen Gedichten erfand
Gabriele Wolff jeweils eine Kriminalerzählung.
Richard Lifka hatte an einem Projekt teilgenommen,
in dem aus dem Publikum Begriffe
vorgegeben wurden, wie z. B. Marktkeller,
Schwüle, Frittenöl, die alle in der Geschichte
vorkommen sollten.
Das Ergebnis war eine Groteske, die man
gleichermaßen unter Humoristisches wie unter
Kriminalistisches einordnen könnte.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch
an diesem Abend wieder der fi nster dreinblikkende
englische Bobby mit Helm und die Nebelmaschine
im Einsatz waren. Wird die Hönower
Kriminacht vielleicht zu einer Tradition? Wir
würden uns freuen.
R. Schaefer