REAKTIONEN Stimmen aus Buchhandel und Verlagen: "Tolle Sache", aber auch Skepsis / Die "Simplicissimus"-Neufassung lesen wollen alle
Gabriele Wörner hat in die Neuausgabe des "Simplicissimus" schon reingelesen, sich festgebissen und "würde gern bis zur letzten Seite" dranbleiben. Während der Geschäftszeiten kann es die Mitinhaberin der Buchhandlung Vaternahm aber schlecht. Fürs Geschäft aber kann sie die Bücher für ihre Kundschaft bestellen, hat bereits einen Vorrat
und ein ganzes Fenster mit den Ausgaben in zwei Bänden und dem Gesamtdruck dekoriert.
Reinhard Kaiser (der Übersetzer aus der barocken in eine aktualisierte deutsche Sprache) habe, so die Buchhändlerin, "einen Orden verdient", indem er das Original des Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen allgemeiner Leserschaft wieder zugänglich macht. Und damit auch dessen "Volkstümlichkeit und Belesenheit, Witz und Menschlichkeit".
Der alte Grimmelshausen war indessen nie ganz aus dem Bewusstsein verschwunden, erklärt Antiquar Thomas Wiederspahn. Immer wieder - freilich auch nur hin und wieder - wurde er bei ihm nachgefragt.
Der Titel "Simplicissimus", egal in welcher historischen Ausgabe, sei im kulturellen Gedächtnis präsent geblieben, so Wiederspahn. Und wenn jetzt eine Neuübertragung auf sich aufmerksam macht, schärfe das auch den Blick für ältere Exemplare, ist seine Erfahrung. Unter den verlegerisch Erfahrenen dieser Stadt wiederum hält Brigitte Forßbohm (Edition 6065) das "Simplicissimus"-Projekt für eine "tolle Sache", und Richard Lifka respektiert den "Mut" des Eichborn-Verlags. Denn, dass Reinhard Kaisers Neufassung ein "großer Verkaufsschlager" wird, glaubt der Leiter des Wiesbadener Brücken-Verlags nicht. Zu spezifisch das Interesse an diesem Werk aus dem 17. Jahrhundert, und auch in verständlichem Deutsch sei es "schwerer zu lesen" als ein Buch, das heute geschrieben, einen Blick auf die Barockzeit zurückwirft.
Dann aber schwärmt er von "diesem ersten Buch in neudeutscher Sprache", vom "Riesenschritt und Meilenstein" in der Literaturgeschichte. Und er selbst hatte das Original nach seinem Studium immer noch mal lesen wollen - die Möglichkeit, es jetzt leichter als früher tun zu können, bietet sich jetzt. Greift er danach? "Ich glaub´, ja".
Auch Brigitte Forßbohm hat das Original bisher noch nie "ganz geschafft". Das könnte sich jetzt ändern. Das Verlags-Projekt jedenfalls hält sie für "reizvoll und verdienstvoll" und weiß: "Das war keine einfache Sache, sondern langwierig und teuer". Es schließe die "wichtige Lücke", den "Simplicissimus"-Blick in die "spannende und schreckliche Zeit" des Dreißigjährigen Kriegs verständlich lesbar wieder nachvollziehen zu können. Eine Neuübertragung sei legitim: Grimmelshausen dürfe ja nicht in ein Museum geschoben werden, sondern solle Anschluss finden an unsere Zeit.
Die Stimmen aus Wiesbadener Buchhandel und Verlagen jedenfalls wünschen dem neuen "Simplicissimus" viel Erfolg, also "viele Leser/innen". Warum es lesen? "Weil es Spaß macht," sagt Gabriele Wörner schon nach den ersten Seiten.