Spannend verknappt

23.10.2010 - WIESBADEN Von Viola Bolduan

PREISTRÄGER Jörg Ultsch gewinnt mit „Robinson“ den Kurzkrimi-Wettbewerb von Buch Habel

Seine erste veröffentlichte Geschichte steht in der Kurzkrimi-Sammlung „Mörderisches Wiesbaden 5“. Im Band, der in diesem Jahr im Auftrag von Buch Habel für die Drucklegung vorbereitet wird, kommt ein Kurzkrimi von ihm noch einmal vor - diesmal als der beste unter allen Einsendungen. Jörg Ultsch ist Sieger im Wettbewerb der Buchhandlung für den Kurzkrimi-Preis 2010 (Verleihung am 6. 11., während der Kriminacht 20.30 Uhr bei Buch Habel).


Für den Schreibtisch

Dabei hat sein Beruf eigentlich so gar nichts mit Literatur zu tun: Der 43-Jährige ist Jurist und arbeitet für eine Bank in Frankfurt, absolviert daneben ein Aufbaustudium in Heidelberg. Viel Fahrerei für einen, der in Bad Soden lebt. Deshalb, so sagt Jörg Ultsch, kam er in letzter Zeit auch gar nicht mehr zum Schreiben. Der prämierte Kurzkrimi „Robinson“ habe schon etwas länger gelegen, bis ihn der Wettbewerb in diesem Sommer zu einer Teilnahme animiert habe. Nein, ein „Auftragsschreiber“, sei er nicht; keiner, der einen Aufruf braucht, um sich literarisch mit einem Thema zu befassen. „Ich schreibe für meinen Schreibtisch“, in dem in anderer Schublade auch ein „unfertiger Roman“ schlummert.

„Robinson“ also - Titel der Geschichte über eine tödlich endende Begegnung von Banker und Penner auf einer Frankfurter Main-Brücke - ist „vor der Finanzkrise“ verfasst, wiewohl Atmosphäre und Metaphorik des Krimis punktgenau auch eine aktuelle gesellschaftliche Stimmung wiedergeben.

Wie schön, meint er, wenn „viele Interpretationen“ möglich seien. Dass in seinem Kurzkrimi ein Broker zu Tode kommt (oder auch nicht, da er als Ich-Erzähler ja wieder auftaucht), wolle keinen Berufsstand diskriminieren, dem er schließlich selbst angehört. Das Umfeld im Krimi hat er gewählt, weil er es - tätig im Stiftungsmanagement - aus Erfahrung kennt.

Und darüber hinaus kennt er sich gut in Literaturgeschichte aus. Erste Schreiberfahrungen hat Jörg Ultsch während seiner juristischen Ausbildung in Los Angeles Anfang 2000 gesammelt, als er dort amerikanische Drehbuchautoren kennenlernte. Das Szenisch-Filmische, die schnellen Schnitte faszinierten ihn. Den lakonischen, auf Knappheit reduzierten Stil trainierte er in Deutschland auf verschiedenen Schreibseminaren weiter. Übrigens auch unter Leitung von Autor Horst Eckert, der drei Tage vor der Preisverleihung bei Buch Habel, ebenfalls am Wiesbadener Krimiherbst teilnimmt (Buchvorstellung des Trio Mortale am 3. 11. im Literaturhaus).

Unter seinen Lieblingsautoren nennt er Franz Kafka, dessen Meisterschaft in der Darstellung des „Düsteren, Verlorenen, Ausweglosen“ Jörg Ultsch verehrt und Edgar Allan Poe - ein Vorbild für alle Autoren, die sich dem Schrecklichen und Rätselhaften verschreiben und ein Wegweiser auch für die Komposition von Texten.

Und wie geht Jörg Ultsch selbst vor, wenn er eine Geschichte konzipiert? An jedem Anfang steht das Thema, sagt er, danach der Entwurf des Aufbaus, schließlich die sprachliche Ausarbeitung - gefolgt von einem langen Prozess des Kürzens. Das Ergebnis soll so konzentriert wie möglich sein: verdichtet und lakonisch knapp.

Sein „Robinson“ ist es - eine nüchtern realistisch wie auch literarisch figurativ dargestellte Begegnung zweier Männer unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichen Zielen in ihrer unterschiedlichen Lebenssituation, die dennoch auch ein und dieselbe Person sein könnten . . . Und wer ist es dann, der erzählt?

Für die Literatur

Dass Fragen auch nach dem Krimi-Ende bleiben, freut den Autor. Über andere wichtige, jenseits der Literatur, diskutiert er selbst als Gründungsmitglied an der „Academie Kloster Eberbach - Werte in Wirtschaft und Gesellschaft“. Dazu bringt er die Erfahrungen aus dem Studium des „Nonprofit Management“ ein und das berufliche Engagement im Stiftungsmanagement. Und was für die literarische Arbeit? Die Antwort kommt prompt: „Ich lese immer.“

Jörg Ultsch ist Kurzkrimi-Preisträger in Wiesbaden, lebt in Bad Soden und arbeitet in Frankfurt. Foto: privat

Jörg Ultsch ist Kurzkrimi-Preisträger in Wiesbaden, lebt in Bad Soden und arbeitet in Frankfurt. Foto: privat


Richard Lifka "Sonnenkönig"

Der Wiesbadener Detektiv Linus (gemeint = Ninus, d. Red.) Hagen bekommt den Auftrag, die Botschaftertochter Carla Cosian zu überwachen. Wenig später ist Carlas Bruder tot, und eine Medienmanagerin spurlos verschwunden.

Hagen vermutet, dass beide Vorfälle mit dem durch eine anonyme Anzeige bedrohten, korrupten Medienunternehmer Andrej Rolozko zu tun haben, denn sowohl Carlas Freund als auch ihr Bruder und die verschwundene Managerin haben für Rolozko gearbeitet. Nachforschungen in der Vergangenheit der Beteiligten ergeben, dass der Spitzenmanager Rolozko sich vor einigen Jahren mittels eines betrügerischen Bankrotts um Millionen bereichert hat und dabei Carlas Geliebten, Johannes, in den Ruin getrieben hat. Johannes hatte daraufhin Selbstmord begangen. Detektiv Linus (gemeint = Ninus, d. Red.) Hagen befürchtet, dass die attraktive Carla jetzt einen blutigen Rachefeldzug startet. Und gleichzeitig beginnt Rolozko, der mehr und mehr unter Druck gerät, zu immer rabiateren Methoden zu greifen, um sein kriminelles Firmenimperium zu retten.

Vorbild in der Realität

Wie er schon mit dem Namen seines Bösewichtes „Andrej Rolozko“ deutlich macht, hat sich der Autor Richard Lifka für seinen Krimi einen tatsächlichen Fall von Wirtschaftskriminalität zum Vorbild genommen, der überregional für Aufsehen gesorgt hat. Es ist der Fall des Wiesbadener Spitzenmanagers Aleksander Ruzicka. Ruzicka, eine regionale Berühmtheit mit besten Kontakten zur Politik, war jahrelang Deutschland und Zentraleuropa–Chef einer großen Media-Agentur gewesen. 2009 ist er in 68 Fällen der Untreue gegenüber seinem Arbeitgeber Aegis Media zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, zusammen mit Komplizen netto 37 Millionen Euro an Werbegeldern über Tarnfirmen auf eigene Konten abgezweigt zu haben. Er habe, so lautete der Vorwurf des Gerichts, Gratis-Sendezeiten, die Fernsehsender dem Großkunden Aegis Media einräumten, auf eigene Rechnung vermarktet. Im Prozess hatte Ruzicki keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt und jede Schuld abgestritten. Er warf dem Gericht vor, die Gepflogenheiten der Branche zu verkennen. Inzwischen haben Ruzickis Anwälte eine Millionenklage gegen Aegis eingereicht und Revision gegen das Urteil eingelegt. Ruzicki befindet sich nunmehr seit mehreren Jahren in Haft.
Richard Lifka lehnt seine Romanfigur Andrej Rolozko in vielen Einzelheiten an das reale Vorbild Ruzicki an: Die glamourösen Parties, die Luxusvilla am noblen Wiesbadener Birnbaum, die guten Kontakte zur hessischen Politik (Volker Hoff, im Roman „Hoffmann“, ehemaliger hessischer Minister, war Geschäftsführer einer Partneragentur von Ruzicki), das von ihm unterhaltene Geflecht aus Tarnfirmen, der Spitzname „Sonnenkönig“, die elegante Kleidung und noch einiges mehr. In seinem Buch macht Lifka den Wirtschaftskriminellen zusätzlich zum Gewaltverbrecher und konstruiert eine spannend aufgebaute Geschichte um Freundschaftsverrat und familiäre Verwicklungen, in der nicht nur der Detektiv Hagen, sondern auch dessen Freundin und ein Wiesbadener Polizeikommissar in höchste Gefahr geraten …

Vorgestellt von Jan Schmelcher

Redaktion: nrc

Tod in der Tuchfabrik

 

Die Zuschauer wurden mit einem teils witzigen, teils spannenden Krimiabend belohnt. Die Autorin Brigitte Glaser führte die Gäste durch den Abend, an dem Wolfram Tewes aus Bielefeld die erste Lesung bestreiten durfte.

Euskirchen-Kuchenheim - Freie Plätze suchte man am Donnerstagabend in der Spinnerei der Tuchfabrik Müller vergeblich. Dabei hatten Museumsleiter Detlef Stender und Brunhilde Weber, die Leiterin der Euskirchener Stadtbibliothek, schon deutlich mehr Stühle aufgestellt, als Karten im Vorfeld verkauft worden waren. Als Stender den Abend eröffnete, hatten rund 120 Leute ihren Weg ins Kuchenheimer Industriemuseum gefunden.

Die Zuschauer wurden mit einem teils witzigen, teils spannenden Krimiabend belohnt. Die Autorin Brigitte Glaser führte die Gäste durch den Abend. Wolfram Tewes aus Bielefeld bestritt die erste Lesung, ihm folgte Richard Lifka, der dem Publikum seinen Roman „Sonnenkönig“ vorstellte. Nach der Pause eröffnete Horst Eckert die zweite Hälfte des Leseabends. Eckert lebt in Düsseldorf und wurde im letzten Jahr mit dem Friedrich-Glauser-Preis, dem „Oscar“ des deutschen Krimis, ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr ist er mit seinem Krimi „Sprengkraft“ für den Preis nominiert. Ob er gewonnen hat, erfährt Eckert erst am Samstagabend beim „Tango Criminale“ in Gemünd.

Im Auszug, den Eckert den Zuhörern präsentierte, befinden sich Martin Zander und Anna Winkler von der Düsseldorfer Polizei auf den Spuren eines marokkanischen Drogendealers. Doch der Einsatz verläuft nicht nach Plan und endet mit einem Bombenattentat. Eckert genoss es sichtlich, sein Publikum in Spannung zu versetzen - und auf dem Höhepunkt gnadenlos den Knalleffekt der Lesung zu setzen.

Das Glanzlicht des Abends setzte allerdings Brigitte Glaser. Sie hatte im Vorfeld in der Tuchfabrik recherchiert und für die Anthologie „Nordeifel Mordeifel“ die Geschichte „Kette und Schuss“ verfasst, die im Industriemuseum spielt. In dem Kurzkrimi besucht ein ehemaliger Mitarbeiter der Tuchfabrik mit seiner Enkelin das Museum und erinnert sich dabei an einen tödlichen Zwischenfall aus vergangenen Tagen. Für ihren spannenden Beitrag erntete Glaser vom Publikum tosenden Applaus. Museumsleiter Stender überreichte der Autorin als Dankeschön für ihre Kurzgeschichte eine Wolldecke, die in der Tuchfabrik hergestellt wurde.

Criminale Lesung Tuchfabrik

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Brigitte Glaser moderierte den Abend in der Spinnerei. (Bild: Nolden)

Von Tim Nolden, 10.09.10

Richard Lifka präsentiert seinen Krimi "Sonnenkönig" im Wiesbadener Pressehaus

03.09.2010 - WIESBADEN

Von Viola Bolduan

Vier Personen und ein Buch. Und damit mehr als eine einfache Lesung. Autor Richard Lifka hat darüber hinaus auf CD eingespielte Musik mitgebracht, Buchhändlerinnen (Buch Habel) verteilen viele Exemplare des neuen Krimis „Sonnenkönig“ auf ihrem Tisch. Am Schauplatz des Pressehauses füllen sich am Donnerstagabend die Stuhlreihen. „Wenn ich König von Deutschland wär...“, hat das Forum der „Kurier Kultur“ zuvor noch nie gehört. Musik spielt eine durchgängige Rolle in Lifkas Kriminalroman, und so auch am Abend der ersten öffentlichen Präsentation in Wiesbaden. Dass die Hauptfigur Detektiv auch am Schlagzeug sitzt, kommt später...

Zunächst kommt Richard Lifka, dann Klaus Krückemeyer. Vor zwei Jahren sind beide schon einmal im Pressehaus gemeinsam aufgetreten. Da hat sich der Wiesbadener Schauspieler beim Autor beschwert, dass dieser seine Detektivfigur Frederic Feuerbach abgeschafft hatte. Jetzt tritt er zivil als Moderator und Rezitator auf und macht seine Sache mit Publikumsansprache ganz vorzüglich. Es sollte aber noch besser werden...

"Sonnenkönig" hat reales Vorbid

An das Fest zum 70. Geburtstag des Dalai Lama in Wiesbaden erinnern wir uns gut. Der Prologtext zum „Sonnenkönig“ beruft sich darauf. Gleichzeitig führt der Autor zwei seiner Figuren ein: Rolozko und Carla. Der Geschäftsmann steht im Mittelpunkt und auf dem Titel. Unter dem Namen „Sonnenkönig“ war auch eine reale Person im Wiesbadener Mediengeschäft einmal bekannt. Die wirtschaftskriminelle Geschichte rund um den ehemaligen Aegis-Media-Manager Aleksander Ruzicka mitsamt dem in Wiesbaden verhandelten Prozess steht im Hintergrund des Kriminalromans, in dem Lifka seine Recherchen – „alles nur geklaut“, tönen die Prinzen – fiktiv verwandelt und verlängert. Das Publikum hört, wie Rolozko sich im Buch verhält...

„Ich finde gut, dass die Geschichte literarisch aufgearbeitet wurde,“ sagt zur Überraschung vieler im Saal der Anwalt des Aegis Media-Unternehmens. Als Privatperson sei er gekommen und kommentiert: „Prima, dass Sie das geschrieben haben.“ Hut ab vor dem Medienkonzern – schließlich war er jahrelang mit in den Schlagzeilen, auch nachdem er seinen Manager entlassen hatte.

Detektiv-Nachfolger ist "Jeans-und-Turnschuhtyp"

Im Buch hat Rolozko natürlich auch einen Gegenspieler. Klaus Krückemeyer, alias Frederic Feuerbach, ist natürlich neugierig auf seinen Nacholger: Privatdetektiv Ninus Hagen sei ein „Jeans-und-Turnschuh-Typ“, charakterisiert Richard Lifka. Und Jan Käfer (Wiesbadener Schauspiel-Ensemble) spricht ihn auf dem Podium kraftvoll nonchalant. Seine Partnerin Anke Budau übernimmt Carlas Part, passend verunsichert, denn sie wacht gerade in einer unbekannten Wohnung auf. Da hat es die erste Leiche schon gegeben. Und die nächste Schießerei wird kommen...

Eine geschickte Abendregie aber lässt am Ende keine verletzten Journalistinnen zu – die Schlussrunde findet in einer spanischen Kneipe statt. Da kann Krückemeyer noch mal aufdrehen. Der Applaus galt den lebhaften Szenen, einer unterhaltsamen Moderation und natürlich Buch und Autor.

Autor Richard Lifka vor dem Büchertisch im Pressehaus mit (von links) Maike Hennel und Elisabeth Pesch von Buch Habel. Foto: wita/Müller

Autor Richard Lifka vor dem Büchertisch im Pressehaus mit (von links) Maike Hennel und Elisabeth Pesch von Buch Habel. Foto: wita/MüllerVergrößern